Life and Dreams
Zeitgenössische chinesische Fotografie und Medienkunst

13.5.2018 — 18.11.2018

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Konzeptueller Rahmen

The Walther Collection zeigt mit Life and Dreams: Zeitgenössische chinesische Fotografie und Medienkunst die erste umfangreiche Präsentation von Werken chinesischer Künstler*innen aus den sammlungseigenen Beständen. Die Ausstellung vereint wegweisende Arbeiten von 43 international renommierten Künstler*innen wie Ai Weiwei, Cao Fei, Song Dong, Yang Fudong, Zhang Huan und Zhang Peili, mit Neuankäufen und Leihgaben einer jüngeren Künstlergeneration wie Sun Xun, Lu Yang und Cheng Ran, um die wichtigsten Strömungen und Errungenschaften chinesischer Fotografie und Medienkunst der letzten drei Jahrzehnte aufzuzeigen.

Life and Dreams, kuratiert von Christopher Phillips, eröffnete am 13. Mai 2018 in Neu-Ulm. Begleitend zur Ausstellung erschien ein Katalog bei Steidl / The Walther Collection.

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Ai Weiwei, Dropping a Han Dynasty Urn, 1995

Mittels eines breiten Spektrums von innovativen und emotional aufgeladenen Werken dokumentiert Life and Dreams die bemerkenswerte Geschwindigkeit, mit der sich Fotografie und Medienkunst seit den frühen 1990er Jahren als bedeutende Genres in der experimentellen chinesischen Kunst etabliert haben. In Zeiten drastischer gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Umbrüche entstanden, reflektiert ein Großteil der ausgestellten Arbeiten die unmittelbaren Reaktionen der Künstler*innen auf die epochalen Veränderungen, die in den vergangenen Jahrzehnten nicht nur die ländlichen und urbanen Lebensräume Chinas, sondern auch wesentliche Aspekte sozialer Beziehungen und des alltäglichen Lebens umgestalteten. Eine Auswahl von Werken aus dem Bereich der Medienkunst nutzt die technischen Möglichkeiten der digitalen Nachbearbeitung, um in fantastischen Bildwelten zu erkunden, wohin diese Veränderungen das Land und seine Bewohner führen könnten.

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Song Dong, Printing on Water (Performance in the Lhasa River, Tibet), 1996

Life and Dreams zielt nicht darauf ab, die Geschichte der chinesischen Fotografie und Medienkunst lückenlos darzustellen. Stattdessen fokussiert die Ausstellung mit einem Kernbestand von fotografischen Arbeiten aus den 1990er Jahren auf ein entscheidendes Kapitel in der Entwicklung der Fotografie und Medienkunst in China, um in der Kombination mit neueren Arbeiten übergreifende Themen und Strömungen, sowie Querverweise, Zitate und Wesensverwandtschaften herauszuarbeiten. In der Gegenüberstellung mit aktuellen Arbeiten erhalten die älteren Werke neue Qualitäten, die in früheren Momenten nicht wahrnehmbar waren und bleiben für nachfolgende Generationen von Betrachtern relevant.

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Miao Xiaochun, Mirage, 2004

Um die Ideen und Assoziationen, welche die Kunstwerke miteinander verbinden, deutlich sichtbar zu machen, stellt die Ausstellung die Hauptrichtungen und Leitmotive der chinesischen Fotografie und Medienkunst der letzten dreißig Jahre anhand von fünf Themenkomplexen vor, die auf den Weißen Kubus, das Schwarze Haus und das Grüne Haus verteilt sind: "Der Körper als Sprache", "Klassiker neu interpretiert", "Urbane Utopien und Dystopien", "Die politische Vergangenheit und Gegenwart" und "Neue Identitäten".

Der Weiße Kubus

Ausgehend von der Künstlergemeinschaft des Beijing East Village zeigt der Weiße Kubus, wie eine Gruppe junger Künstler*innen, darunter Zhang Huan und Ma Liuming, zu Beginn der 1990er Jahre intensiv und kollektiv die vielfältigen Ausdrucksmöglichkeiten der Fotografie erkundete, um sich zunehmend von konventionellen ästhetischen Darstellungsstrategien zu emanzipieren.

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Ma Liuming, Fen-Ma Liuming Walks the Great Wall, 1998

Eine der radikalsten Neuerungen lag in der aggressiven Betonung des nackten menschlichen Körpers – ein provokantes Motiv, das in der traditionellen chinesischen Kunst selten zu finden ist.

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Zhang Huan, Family Tree, 2001

Einige der im Weißen Kubus ausgestellten Fotograf*innen verweisen in ihren Arbeiten auf Kunstwerke und Artefakte aus der zwei Jahrtausende umfassenden Kulturgeschichte ihres Landes. "Klassiker neu interpretiert" präsentiert mit Arbeiten von Künstlern wie Ai Weiwei, Wang Qingsong oder Hong Lei Werke, die historische Motive aufgreifen, umdeuten oder aktualisieren.

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Sze Tsung Nicolás Leong, "History Images", 2003

Ebenfalls im Weißen Kubus veranschaulicht eine Auswahl von Werken, wie einschneidende sozio-ökonomische Veränderungen die Lebenswelt vieler Bewohner Chinas seit Beginn der 1980er Jahre massiv umformten. Arbeiten von Zhang Dali, Luo Yongjin, Xiang Liqing, Yang Yong und Sze Tsung Nicolás Leong thematisieren in "Urbane Utopien und Dystopien" den großflächigen Abriss historischer Stadtviertel in Beijing und Shanghai, die modernen Hochhaussiedlungen weichen mussten.

Das Schwarze Haus

Während viele Aspekte des täglichen Lebens seit der 1978 offiziell einsetzenden Reform- und Öffnungspolitik des Landes enormen Veränderungen unterworfen waren, konnte die Kommunistische Partei Chinas ihr Machtmonopol dank einer autoritär-diktatorischen Regierungsweise erhalten. Obwohl es in China noch immer riskant ist, Kunst zu schaffen, die sich explizit zum politischen Geschehen äußert, entstehen solche Arbeiten fortwährend, wie die Werkauswahl zu "Die politische Vergangenheit und Gegenwart" mit Arbeiten von Mo Yi, Bo Wang oder Sheng Qi im Schwarzen Haus demonstriert.

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Mo Yi, 5.16 Notice: It's Been 49 Years, 2014

In seiner 49-teiligen Installation 5.16 Notice (2014) übermalt Mo Yi gefundene Fotos von Mao Zedong, die in der traumatischen Zeit der Kulturrevolution entstanden sind, mit Kommentaren in roter Farbe und erprobt so die Grenzen künstlerischer Freiheit. Der Werktitel bezieht sich auf ein Rundschreiben der Kommunistischen Partei im Jahr 1966, das den Beginn von Maos folgenreicher Kulturrevolution markierte.

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Hai Bo, They No. 3, 2000

Hai Bo verweist in They No. 3 (2000) auf die historische Kluft zwischen zwei sehr verschiedenen Phasen der modernen Geschichte Chinas, indem er zwei Fotografien einer Gruppe von Männern aus den Jahren 1974 und 1999 in einem Diptychon einander gegenüberstellt. Während das erste Bild fünf junge Männer in politischer Kameradschaft vereint in den Uniformen der Roten Armee zeigt, ist auf dem zweiten Bild nur noch eine dieser Personen zu sehen; sie ist umgeben von leeren Stühlen und trägt eine unscheinbare Jacke.

Das Grüne Haus

In den ersten Jahrzehnten der Volksrepublik bestand Chinas Gesellschaft offiziell aus klar definierten Klassen von Arbeitern, Bauern und Soldaten. Im Grünen Haus reflektiert "Neue Identitäten" über Arbeiten von Künstler*innen wie Xu Yong, Zheng Guogo, und Lu Yang die offenere und ausdifferenzierte Sozialstruktur, die das moderne China charakterisiert. Neue Formen individueller und kollektiver Identität, die auf Geschlecht, sexuelle Orientierung oder Subkultur basieren, entlarven dabei das im Westen verbreitete Bild einer anonymen Massengesellschaft als Klischee.

Xy 4194 Walthercollection Xuyong Thisface 2011
Xu Yong, "This Face", 2011

Xu Yongs Fotoserie "This Face" (2011) dokumentiert, wie die Sexarbeiterin Zi U ihr äußeres Erscheinungsbild über den Tag verändert und somit für jeden ihrer Kunden eine neue Persönlichkeit erschafft. Die Arbeit umfasst knapp 200 Bilder und veranschaulicht das Verstreichen der Zeit durch die Veränderungen von Zi Us Make-up, Naturell und Ausdruck. Dieses umfangreiche Porträt einer von der Gesellschaft oft an den Rand gedrängten Person ist innerhalb der chinesischen Künstlergeneration von heute ein einzigartiger Versuch, auf individualistischer Ebene Aspekte der gesamtgesellschaftlichen Lage zu analysieren.

Ly 4337 Walthercollection Luyang Delusionalmandala 2015
Lu Yang, Delusional Mandala, 2015

Lu Yangs Videoarbeit Delusional Mandala (2015) mit ihrem von Anime- und Science-Fiction-Filmen beeinflussten Soundtrack erzählt in eindringlichen Bildern von der Entwicklung eines 3D-Avatars der Künstlerin. Ihr geschlechtsloses Ebenbild durchläuft einen Prozess der Erleuchtung, eine Gehirnoperation sowie eine Beerdigung im schwerelosen Cyberspace; Begleitkommentare erläutern die verschiedenen Stufen der Metamorphose dieses Avatars. Die Arbeit bedient sich in ihrer bewusst chaotischen Ästhetik beim tibetischen Buddhismus, bei Kultfilmen und japanischem Anime. Symbole aus Kultur und Wissenschaft folgen ebenso rasch aufeinander wie allerhand Genderpronomen, wodurch die Arbeit Bezug nimmt auf die aktuell weltweit diskutierte Wandelbarkeit von Geschlecht und persönlicher Identität.

Ausgestellte Werke

    Ausstellende Künstler

    Pressestimmen

    Life and Dreams: Besprechung in der taz

    "Die neuen Blumen des Bösen: Die Walther Collection bei Neu-Ulm bietet in ihrer Ausstellung Life and Dreams zur zeitgenössischen Foto- und Medien-Kunst in China noch immer einige wenige Künstler auf, die ihren kritischen Standpunkt verteidigen."

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    Life and Dreams: Besprechung in der Südwest Presse

    "Zum Staunen: Walther Collection zeigt chinesische Fotografie"

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    Publikationen

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