Kenia, geb. 1958; lebt und arbeitet in San Francisco und Los Angeles, USA
Allan deSouzas Fotografien handeln von den Grenzen des Mediums als beweisführender, darstellender Form. Seine Arbeiten widersprechen den Erwartungen an Authentizität und geben immer wieder Hinweise auf die Fehlbarkeit jeglicher Art dokumentarischer oder historisierender Erzählform. Fakten und Fiktion, Dichtung und Wahrheit verschmelzen in deSouzas neueren vogelperspektivischen Landschaftsfotografien. Indem der Künstler einzelne topografische Bilder über die vertikale Mittelachse gespiegelt doppelt, erzeugt er unheimliche tier- oder maskenähnliche Formen. DeSouza pendelt regelmäßig zwischen zwei kalifornischen Städten; die topografischen Aufnahmen hat er während dieser Flüge aus dem Fenster des Flugzeugs gemacht. Mehrfach glaubten Mitreisende dabei in ihm – deSouza ist indischer Abkunft – einen potenziellen Terroristen zu erkennen. Ungeachtet der Absurdität einer solchen Behauptung klären die Arbeiten eindringlich über die imperialistischen Politiken der Herrschaft, "Rasse" und Angst auf. Dichtung und Wahrheit verbinden sich mit ähnlicher Zielsetzung in Terrain, einer Serie aus dem Jahr 1999, die auf den ersten Blick leer gefegte Wüstenlandschaften des US-amerikanischen Westens abzubilden scheint. DeSouza beschwört hier die uramerikanische koloniale Logik der Manifest Destiny, wie sie von den Malern der Hudson River School Mitte des 19. Jahrhunderts zelebriert wurde.
DeSouza bringt noch ganz andere Dinge zur Darstellung: figurative Kleinplastiken, die er aus menschlichen Körperabfällen wie Augenwimpern, geschnittenen Fingernägeln und Hautschuppen gefertigt hat. Humor treibt diese Projekte an. Anders bei seiner Serie The Lost Pictures (2003): Hierfür ließ deSouza Abzüge von Aufnahmen aus seinen Kindertagen anfertigen, die sein Vater in Nairobi gemacht hat, wo der Künstler bis zu seinem siebten Lebensjahr lebte. Kurz nach dem Tod seiner Mutter legte deSouza die Abzüge der Dias überall in seiner Wohnung aus – in der Küche, in der Dusche, in der Toilette. Staub und andere Rückstände protokollierten das Vergehen der Zeit: Die Fotos sind verkratzt und verschlissen, die originalen Motive verschleiert bis zur Unkenntlichkeit. Sie simulieren eine Art nebulöse Erinnerung, unterbrechen unseren Lesevorgang durch ihre konstante Unbestimmtheit. Sie decken ein Erinnerungsbild auf und löschen es im gleichen Moment. Vergessen und Erinnern, Verlieren und Wiederfinden sind die kognitiven Prozesse, die hier unablässig am Werk sind – Prozesse, in denen die fotografische Vermittlung, wie deSouzas Bilder suggerieren, unausweichlich eine Rolle spielt. Zugleich jedoch lässt die Serie in ihrer Verblichenheit bis zur Unlesbarkeit Zweifel aufkommen an der Funktion der Fotografie, erinnerungstechnische Referenzen beizusteuern. Nur durch das verkrustete Sieb der Gegenwart wird die Vergangenheit sichtbar; die Gegenwart selbst lässt sich als ein hauchdünnes, schwer fassbares Palimpsest lesen, das sich wie ein Schleier über die Geister der Vergangenheit legt.
– Clare Grace, Stanford University